Asylrechtsverschärfung 2015

Asylrechtsverschärfung 2015

Nehmen die Asylrechtsverschärfungen jetzt wieder zu? Eine Wiederholung zu 1993?

Nachdem im August das Dublin-Verfahren für syrische Flüchtlinge ausgesetzt wurde, führte es Innenminister Thomas de Maizière im Schatten des Todes von Helmuth Schmitd wieder ein. Seit 21. Oktober werde es aber schon praktiziert… Das Dublin-Verfahren schreibt vor, dass Geflüchtete nur in dem europäischen Land Asyl beantragen können, welches sie zu erst betreten haben. Das Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF) prüfe also auch bei syrischen Geflüchteten jeden Einzellfall. Gibt es einen sogenannten Dublin-Treffer, wurde also ein Geflüchteter in einem anderen EU-Land registriert, so könne eine Abschiebung in dieses Land stattfinden. Auch beim Thema des Familiennachzuges gab de Maizière eine Anordnung ans Bundesamt für Migration und Flucht. Es gibt dazu durchaus Kritik, da de Maizière keine Rücksprache gehalten hat, obwohl es sich bei einem solchen Themenkomplex um entscheidene politischen Debatten handelt, die eigentlich einer Aushandlung bedürfen. Nicht ohne Grund wurde eine Stabsstelle „Flüchtlingspolitik“ im Kanzleramt eingerichtet.

Dennoch scheint diese Verschärfung keine realpolitische Relevanz zu haben, da lediglich 3% der Geflüchteten in anderen europäischen Ländern registriert wurden, demnach das Dublin-Verfahren höchstens für 3% greifen würde. Da für Griechenland noch eine Ausnahmeregelung besteht, spielt eine Registrierung, welche in Griechenland stattgefunden hat, ebenfalls keine Rolle. Abschiebungen nach Griechenland seien damit nicht vorgesehen. Ziel dieser Wiedereinführung sei die Rückkehr zu einem „geordneten Verfahren“. Das dieses Verfahren Deutschland aber aus einer Verantwortung nimmt, ist offensichtlich, denn Deutschland ist umgeben von europäischen Ländern und im rechtlichen Endeffekt damit nicht verantwortlich für Geflüchtete. Die östereichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagt dazu: „Das wäre das Signal, auf das wir die letzten Wochen gewartet haben – der Wendepunkt von der grenzenlosen Willkommenskultur zurück zu einer Kultur der Vernunft und des Augenmaßes“.

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Doch was ist Dublin? Ordnung und Vernunft sicher nicht! Asylrechtsverfahren werden durch dieses Gesetz verlänger, da nun Einzellfallprüfungen stattfinden und mehr Gerichte beschäftigt werden. Von wem das alles durchgeführt werden soll ist mir vollkommen unklar, wenn die Behörden hier nicht mal in der Lage sind, Registrierungen von Geflüchteten vorzunehmen, um ihn damit ihr Recht auf ein Asylverfahren und vor allem soziale Leistungen zu gewähren. Dublin ist doch ein Symbol für eine verfehlte europäische Abschottungspolitik anstelle eines fairen Verteilsystem. Die Asylrechtsverschärfungen nehmen nun also wieder zu und man kann sich nur auf das Schlimmste vorbereiten, denn Mutti Merkel rudert von ihrer „Willkommenspolitik“ zurück. Zu groß war vielleicht eine Spaltungsgefahr zwischen CDU und CSU. Und dann gibt es ja noch die Wutbürger*innen die Stunk gegen alles mögliche machen. Sie werden damit nur wieder bestäkrt und rassistische Stereotype erhalten Einzug in legitime Denkmuster.

Vielleicht sollte man mal wieder etwas mehr Energie in eine gemeinsame Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene nachdenken. Es kann doch nicht sein, dass Menschen hin und her geschoben werden und in den Prozess der Wohnungswahl überhaupt keinen Einfluss haben. Bürokratie und Gesetze sind doch dafür da um Menshen zu helfen, doch die Praxis erschwert die Lebensbedingungen von Geflüchteten viel mehr.

 

Bachelorarbeit

1993 gab es nach hetzigen Debatten auch eine Asylrechtsverschärfung und rassistische Denkmuster wurden in Gesetzestexten verankert. Wiederholt sich dies nun? Wie verläuft gerade die Debatte um Asyl und Flucht und in wie fern wird hierbei Rassismus reproduziert und manifestiert. Auf welche Verschärfungen muss man sich noch gefasst machen. Auch sollte man den Fokus von syrischen Geflüchteten ablegen und mal wieder andere mit in die Betrachtung ziehen, denn in der Debatte um Asyl und Flucht besteht nicht erst seit Kurzem eine große Abwehrhaltung gegen Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen flüchten. Ihnen wird oft vorgewurfen, dass sie überhaupt kein Anrecht auf Asyl hätten und ihr Antrag wird auch in der Praxis als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Abschiebungen sind die Floge. Prägen also Einstellungsmuster in der Gesellschaft realpolitische Verhältnisse und Gesetze? Über die Konstruktion von „guten“ und „schlechten“ Geflüchteten werde ich in Zukunft im Rahmen meiner Bachelorarbeit ausführlicher forschen. Wo liegen geschichtliche Ursprünge einer solchen Differenzierung, wie entsteht sie, welche Kritereien sind entscheidend? Welche Stereotype tauchen in der Berichterstattung über Geflüchtete auf und wie werden diese in politischen Gesetzen verankert – welche Schlüsse werden daraus für die Realpolitik gezogen. Wie ist dies in der Vergangenheit geschehen und welche Überschneidungen gibt es mit der heutigen Realität?

Über kritische Anmerkungen oder Ideen und Vorschläge, Diskussionen und Literaturhinweise würde ich mich sehr freuen – einfach ne Mail schicken 😉

Statement

Und nun will ich zum Schluss noch ein kurzes Statement rausholen, was ich bereits im Juli vorgetragen habe. Refugees Welcome!

 

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=xpwFvBhlK-w]

 

Skrip:

„Das Recht ist die Waffe der Schwachen“ sagte Gustav Heinemann. Doch heute werden die Schwachen oft vergessen. Sie werden nicht mitbedacht. Vielleicht werden sie sogar absichtlich aus dem Diskurs ausgeschlossen. Gerechtigkeit und Solidarität müssen in der Politik wieder erkennbar sein. Diese Werte dürfen nicht nur als Überschrift für inhaltsleere Floskeln benutzt werden. Rassismus wirkt auf vielen Ebenen. In vielen Gesetzen sind rassistische Elemente erkennbar. Polizeiliche Maßnahmen, wie z. B. Racial Profiling machen staatlichen Rassismus praktisch erfahrbar. Auch die heutige Asylpolitik der EU, die von der Bundesregierung maßgeblich definiert wird, trägt leider zur Abschottung Europas bei. Sie trägt zur Ungerechtigkeit bei – und auch zum Tod vieler Menschen. Um Ungerechtigkeit zu bekämpfen, müssen wir alle handeln – das heißt z.B. durch Projekttage Rassismus in der Gesellschaft entgegen treten, aber auch in der Politik aktiv gegen rassistische Gesetze vorgehen. Konkret fordere ich, dass der aktuelle Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbedingung unbedingt überarbeitet wird. Die Kritik und Vorschläge von Betroffenengruppen müssen respektiert werden.

Damit Sie sich daran erinnern habe ich Ihnen, liebe SPD, ein Tshirt bedruckt. Refugees Welcome! Allerdings in Größe S. Gerechtigkeit und Solidarität mit geflüchteten Menschen kommen ja leider regelmäßig zu kurz!“

 

English:

The law is the weapon of the weak,“ said Gustav Heinemann. But now the weak are often forgotten. They are not respected. Maybe they are even intentionally excluded from the discourse.   Justice and solidarity must be observable in politics again. These values should not only be used as a heading for meaningless phrases. Racism works on many levels. In many laws racist elements are recognizable. Measures of the police such as “Racial Profiling” make institutional racism practical experiencable. The current EU asylum policy, which is defined largely by the federal government of Germany, unfortunately contributes to the foreclosure of Europe. (Foretress Europe) It contributes to injustice – and also to the death of many people.   To combat injustice, we must all act – for example through conducting project days against racism in society, but also through acting against racist laws on a political level. Specifically, I urge that the current draft law on the “redefinition of the right of abode and the residence condition” (Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbedingung) must be revised! The criticism and suggestions from affected groups must be respected. So that you will rember that, dear SPD, I have printed another T-shirt for you.   “Refugees Welcome!” However, in size S. Justice and solidarity with Refugees are regularly, unfortunately too short!

 

Kontext und Beschreibung der Aktion:

Am 19. Juni, im Rahmen der Verleihung des Gustav Heinemann Bürgerpreises 2015, kritisierten einzelne ehrenamtliche Teamer*innen und Trainerinnen des Netzwerk für Demokratie und Courage die aktuelle politische Haltung der SPD. Henning Scherf, Vorsitzender des Bürgerpreis-Kuratoriums (SPD), begrüßt die Kritiker*innen: „Sie sind das Beste, was wir haben: Junge Leute, die sich für andere einsetzen.“ Man solle nicht darauf warten, dass „der Sigmar was macht“, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen.“ (http://www.vorwaerts.de/artikel/gusta…)

So überreichte einer der ehrenamtlichen Teamer ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Refugees Welcome“ an Henning Scherf und Sigmar Gabriel. Dieses T-shirt war absichtlich in Größe „S“ und sowohl für den 2-Meter großen Scherf als auch für den daneben sitzenden Gabriel offensichtlich zu kurz. Beide lachten, Gabriel rief der Teamer müsse sich wen anders suchen.

Doch die Größe des Refugee Welcome T-Shirts hatte eine symbolische Bedeutung und war kein Zufall. Es sollte ein Zeichen sein, weil Gerechtigkeit und Solidarität ja oft regelmäßig zu kurz kommen, erklärte der Teamer des Netzwerkes und übergab das T-Shirt. Nachdem sich der Vorstand des NDCs, Ralf Hron (DGB) und Daniela Kolbe (SPD) bei der SPD bedankten, machte eine weitere Trainerin des NDCs auf den Widerspruch aufmerksam. Auch wenn antirassistische Initiativen unterstütz werden, so „wird aber leider eine Migrations- und Flühtlingspolitik verfolgt, die dem Ziel des Abbaus von Diskriminierung nicht immer förderlich ist.“ (https://linksunten.indymedia.org/de/n…) Die Protestaktion des Teamers, der die Plattform für sein politisches Statement nutzte, reiht sich ein in weitere Aktionsformen, die bereits gegen die geplante Asylrechtsverschärfung stattfanden.

Der Termin für die 2. Und 3. Lesung des Gesetzesentwurfs ist bereits Anfang Juli. Das der Bunderat nicht zustimmungspflichtig ist, würde das Gesetzt somit noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Antirassistische Initiativen rufen dazu auf, „dieses Masseninhaftierungsprogramm zu stoppen!“ „Für Berlin soll es eine Dauermahnwache vor der SPD Zentrale geben, plant eigene Aktionen und lasst uns zusammen einen vielfältigen und solidarischen Widerstand auf die Straße tragen“, so eine klare Forderung der Kampagne Asylrechtsverschärfung stoppen. (http://www.asylrechtsverschaerfung-st…)

 

Bildquelle: Tagesschau.de

Über den Autor

JanniUmlauf administrator

Trainings für politische Bildung, Moderation und kreativen Aktivismus. Schreib mir gern eine Mail an: info@politische-bildung.com oder hinterlass einen Kommentar. Viel Spaß beim Lesen, herzlichen Dank und schön, dass Du hier bist!

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